Zwischen Igersheim und Harthausen zieht es sich vom Harthäuser Bach bis auf die Höhe des Eichwaldes die Meßklinge hin. In ihr geht ein Geist um, im Volksmund der „Meßklingenschlapp“ genannt.
Der alte Schultheiß lag im Sterben. Gar schwer fiel ihm der Abschied vom Erdenleben. Zu sehr hing sein Herz an den Gütern dieser Welt. Am Begräbnistage war viel Volk vor dem Trauerhause versammelt. Eben wurde der Sarg mit der Leiche in den Hof getragen. Da rief es auf einmal von oben: „Ihr habt mich noch nicht, ihr habt mich noch nicht!“ Entsetzt schauten die Menschen auf.
Die Stimme war allen im Hof Versammelten wohlbekannt. Und jetzt sahen sie ihn auch, ihn, den sie tot im Sarge wähnten. Er steckte seinen Kopf zum obersten Fenster hinaus und schnitt scheußliche Grimmassen, als wollte er sich über die vielen Trauernden lustig machen.
Schon nahte der Pfarrer. Mit einem Mal war der Spuk verflogen. Aber den Gebeten des frommen Priesters konnten nur wenige aus der Trauergemeinde andächtig folgen.
Der Sarg wurde aufgehoben, und der Trauerzug setzte sich in Bewegung. Es ging zum Friedhof. Verstört folgten die Menschen dem Sarge. Die Beerdigung war vorüber, aber die Angehörigen des Verstorbenen kamen nicht zur Ruhe. Im Hause war es nicht geheuer. Die Türen öffneten sich von selbst und fielend krachend wieder ins Schloß, obwohl kein Lüftchen wehte. Eine unsichtbare Hand teilte nachts Ohrfeigen aus, wenn man zur Stubentüre herein- oder herausging. Immer ärger trieb es der Geist.
In ihrer Not wandten sich die verängstigten Hausbewohner an den Pfarrer und baten, ihnen zu helfen. Er folgte ihrem Hilferuf und bannte den Unruhegeist in einen Steinkrug. Beherzte Männer trugen darauf den Krug in den Eichwald, um ihn dort zu verscharren.
Langsam und vorsichtig schritten sie dahin, immer darauf bedacht, nirgends anzustoßen. Sie atmeten erst erleichtert auf, als sie das Ziel, die Meßklinge, erreicht hatten. Behutsam stellten sie den Krug mit dem gefährlichen Inhalt auf die Erde und begannen, eine Grube auszuheben. Bei dieser Arbeit stieß einer versehentlich an den Krueg, daß er zerbrach. Sogleich war der gefangene Geist frei. Als „Meßklingenschlapp“ soll er manchmal nächtlichen Waldwanderern begegnet sein und sie furchtbar erschreckt haben. Dem Haus jedoch, dessen Bewohner er so oft in Angst und Schrecken versetzt hatte, blieb er jetzt fern.